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Teilprojekt C4


Transformation von Ritualen im Zuge des Holocaustgedenkens in Deutschland (1945- 2000)

Fachgebiete und Arbeitsrichtung: Pädagogik und Soziologie
Das Teilprojekt C4 wurde am 30.06.2005 abgeschlossen.


Teilprojektleiter/-in

Prof. Dr. Micha Brumlik

Fritz Bauer Institut
Grüneburgplatz 1
60323 Frankfurt am Main
 
Telefon: 069 - 97 58 11 32
Telefax: 069 - 79 83 22 41


Mitarbeiter/-innen

Dr. Franz Maciejewski
franz.maciejewski@gs.uni-heidelberg.de

Germanistisches Seminar
der Universität Heidelberg
Haupststr. 207-209
69117 Heidelberg

Telefon: 06221-54 32 07


Projektprogramm

Rituelles Sprechen über den Holocaust und rituelles Eingedenken der Opfer gehören zum Kern (nicht nur) der deutschen Erinnerungskultur von heute. Ihr Bestand zeigt sich in gesellschaftlich verabredeten Formen öffentlicher Kommemoration in Gestalt von Bekenntnis- und Trauerritualen. Das Projekt will die ritualdynamische Entwicklungslogik hinter dieser komplexen (politischen, liturgischen sowie künstlerisch-ästhetischen) Gedächtnisgeschichte aufdecken. Die historisch divergenten Muster des Holocaust-Gedenkens sollen auf drei Wegen gewonnen werden: (a) über die Text-, Diskurs- und Rhetorikanalyse von einschlägigen Ritualtexten; (b) mittels der Auswertung audio-visuellen Materials in Archiven und Museen; (c) über eine empirische Beobachtung vor Ort (exemplarisch in der Gedenkstätte Buchenwald). Ziel ist es, die zentralen rituellen Gedenkprofile zu inventarisieren und zunächst intrakulturell (in einem weiteren Schritt interkulturell) zu vergleichen. Als Vergleichsmaßstab dient die diachrone Ordnung des Ritualbestands entlang von (mindestens) drei kalendarischen Riten: dem 9. November, dem 20. Juli, dem 27. Januar (also das jährliche Gedenken an die Novemberpogrome von 1938, das Attentat auf Hitler von 1944 sowie die Befreiung des KZ Auschwitz im Jahre 1945; eine Erweiterung etwa um den 8. Mai, das Kriegsende von 1945 und Tag der Befreiung, ist denkbar). Dieser Zugang verspricht ein guter Ausgangspunkt zur Untersuchung des vorliegenden Themenkomplexes auch deshalb zu sein, weil er es erlaubt, den (jede "normative Erinnerung" notwendig begleitenden) moralphilosophischen Diskurs zu versachlichen. Öffentliche Erinnerungsrituale im hier vorgeschlagenen Sinn werden begriffen als konventionelle Formen kollektiver Mnemotechnik: als Fixpunkte im kulturellen Gedächtnis einer Gruppe oder Nation, die geteilte Gefühls- und Erinnerungslagen festschreiben ("Skript") und zur Anschauung bringen ("Performanz"). Sie sind die so unentbehrlichen wie unzulänglichen Merkzeichen einer zerrissenen und wiederhergestellten Sittlichkeit. Das Scheitern rituellen Holocaustgedenkens liegt nicht in einem Zuwenig an Erinnerung oder in der Unfähigkeit zur Trauer; es ist daran zu messen, ob es ihm gelingt, diejenigen Anstöße von Erinnerungspolitiken und Erinnerungsnarrativen, die der Erweiterung des kulturellen Raumes einer nicht selbstbezogenen Solidarität dienen, in Anforderungen an die Performanz authentischer Gesten und glaubwürdiger Symbole sowie aussagekräftiger Denkmäler zu übersetzen - und umgekehrt alle Versuche zu einer Instrumentalisierung abzuweisen. Die Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar ist nicht nur ein instruktives Beispiel des Scheiterns (als Ort eines staatlich verordneten Erinnerungsprogramms für Zwecke der Herrschaftslegitimation); am Beispiel von Buchenwald lässt sich auch der Prozess einer überraschenden Ritualumkehr studieren (mit der Signatur der Vielstimmigkeit des Opfergedenkens, der Inszenierung negativer Feiern und der Betonung von Antimonumenten). Vor dem Hintergrund der Herausbildung eines solchen postkonventionellen Erinnerungscodes im Rahmen der Gedenkkultur in Deutschland soll in einer zweiten Phase des Projektes der Topos einer Ritualerfindung ("inventio"), die sich nachträglich als beispielgebend erweist, anhand eines Kulturvergleichs mit den genuin opferzentrierten Mustern rituellen Holocaustgedenkens in Israel und den USA überprüft werden. Auf einer weiteren Stufe ist daran gedacht, die kulturvergleichende Perspektive auszuweiten und das zeitgenössische Phänomen einer Globalisierung der Rituale öffentlicher Entschuldigungen einzubeziehen.


Themenschwerpunkte

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