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Teilprojekt C3


Demokratisierung durch ritualisierten Kulturtransfer: Westdeutschland in der Re-education-Phase

Fachgebiet und Arbeitsrichtung: Soziologie, historische Sozialstrukturforschung
Das Teilprojekt C3 wurde am 30.06.2007 abgeschlossen.

Teilprojektleiter/-in

Prof. Dr. Uta Gerhardt
uta.gerhardt@urz.uni-heidelberg.de

Institut für Soziologie
Lehrstuhl für Soziologie II
Sandgasse 7/9
69117 Heidelberg

Telefon: 06221/54 29 75
Telefax:06221/54 29 77

Mitarbeiter/-innen

Dr. Gerhard Neumeier
gerhard.neumeier@urz.uni-heidelberg.de

Projektprogramm

Das Projekt macht sich zur Aufgabe, die durch das Besatzungsregime nach 1945 initiierte Demokratisierung Westdeutschlands durch Re-education unter einer neuen Perspektive zu untersuchen. Wir konzentrieren uns zunächst (im ersten Abschnitt der Projektdauer) auf die amerikanische Besatzungszone und entsprechend auf die durch die USA als Besatzungsmacht projektierte Re-education. Wir gehen von der Hypothese aus, dass die Demokratisierungsbemühungen an der Schwelle der metaphorisch so genannten "Stunde Null" in einem Ausmaß von Ritualisierungen des Handelns Gebrauch gemacht haben, das überhaupt noch nicht erkannt worden ist.
 
Zu den Verfahrensweisen unseres Projekts: In einer synchronen Zeitperspektive werden Vorgänge des demokratischen Neubeginns anhand von Fallrekonstruktionen erfasst. Diese Rekonstruktionen haben drei Ebenen zu berücksichtigen:
a) die Skripte (Handbook[s], Direktiven, Manuale)
b) die Experten und
c) die Performanz (Ausführung als Praxis durch kontextuellen, ritualisierten Vollzug).
 
Die Befunde der auf den einzelnen Ebenen zu untersuchenden Planungsentwürfe und Praktiken sind so zu verknüpfen, daß die verschiedenen Arten der Handlungs-Ritualisierung sichtbar werden, die schließlich im Zuge einer vergleichenden Analyse auch in eine Typologie des Rituellen übersetzt werden können. Die Fallrekonstruktionen beziehen sich auf sechs Gegenstandsbereiche: politische Neugestaltung, Wirtschaft, Entnazifizierung, Bildungssektor (einschließlich Hochschulen), Flüchtlinge/Vertriebene/"Displaced Persons" sowie auf die Polizei ("Public Safety"). Für die Untersuchung dieser Bereiche sollen bestimmte regionale Szenarien ausgewählt werden, das sind Städte bzw. Detachments, die damals zur amerikanischen Besatzungszone gehörten: Mannheim/Heidelberg, Nürnberg und Frankfurt.
 
Darüber hinaus wird das Thema in einer diachronen Zeitperspektive behandelt. In diesem Rahmen soll - ausgehend von Victor Turners Konzept des Ritualprozesses (ritual process) - erkundet werden, inwiefern die Phase des Übergangs ("Stunde Null") im Zeitraum 1945-1949 für die Entwicklung zur demokratischen Gesellschaft Westdeutschlands maßgebend war. Die Materialien, mit deren Hilfe geprüft werden soll, ob der Transfer einer demokratischen Kultur von einer Gesellschaft zur anderen als ritual process charakterisiert werden kann, sind u.a. Proklamationen der Militärregierung und die Forschungsberichte der Information Control Division, die auf über achtzig repräsentativen Umfragen beruhen, die in der amerikanischen Zone durchgeführt worden sind.
 
Durch Zusammenführung der synchron und diachron ermittelten Befunde hoffen wir schließlich den Nachweis zu erbringen, daß das schon in den frühen 40ern von den Amerikanern entwickelte Re-education-"Project" als ein auf Ritualisierungen angewiesener Kulturtransfer erfolgreich war. Diese Perspektive eröffnet eine neue Sichtweise nicht nur auf die "Wurzeln der westdeutschen Nachkriegsdemokratie", sondern auch auf den so außerordentlich gewagten Prozeß der grundlegenden Umgestaltung eines komplexen Gesellschaftssystems und der damit zuinnerst verknüpften Mentalitätsstrukturen.

Themenschwerpunkte

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