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Teilprojekt B1


Riten als "Weisen der Welterzeugung": Der Fall Ägypten

Fachgebiet und Arbeitsrichtung: Ägyptologie
Das Teilprojekt B1 wurde am 30.06.2005 abgeschlossen.


Teilprojektleiter/-in

Prof. Dr. Jan Assmann
ae3@ix.urz.uni-heidelberg.de

Ägyptologisches Institut
Marstallhof 4
69117 Heidelberg  

Telefon: 06221-54 25 32
Telefax: 06221-54 25 51  

Dr. Hubert Roeder (Co-Teilprojektleiter)
Hubert.Roeder@urz.uni-heidelberg.de

Ägyptologisches Institut
Marstallhof 4
69117 Heidelberg  

Telefon: 06221-54 25 35
Telefax: 06221-54 25 51


Mitarbeiter/-innen

Dr. Andrea Kuchareck
akuchare@ix.urz.uni-heidelberg.de


Projektprogramm

Das ägyptologische Teilprojekt teilt eine Voraussetzung mit den anderen altertumswissenschaftlichen Projekten: Es hat mit einer vergangenen, nicht mehr beobachtbaren Kultur zu tun. Auch wenn die Ägyptologie, sofern sie nicht archäologisch oder kunstgeschichtlich arbeitet, alle Charakteristika einer Textwissenschaft besitzt, so bleibt sie dennoch nicht bei der philologischen Analyse und Edition stehen, sondern sucht das Verständnis der Texte im Horizont kulturhistorischer Kontextualisierungen zu erweitern und zu verbessern. Je offensichtlicher die Texte von den Bedingungen des gesprochenen Wortes (Rezitation etc.) und der Performanz abhängen, desto notwendiger ist die Erweiterung der Interpretationsspielräume um kulturhistorisch relevante Kontexte. Die Interpretationsbegriffe des Rituellen und des Performativen lenken mit Notwendigkeit unsere Aufmerksamkeit auf die Bedingungen, unter denen die Texte als performative, für die Rezitation bestimmte Vorlagen aufgeschrieben sowie aufbewahrt und unter denen sie handelnd 'aufgeführt' worden sind. Es ist die Spanne zwischen Skript und ritueller Performanz, die es auch hier analytisch auszumessen gilt.  

Unsere Untersuchungen gehen von einer dreifachen Gliederung des Skript-Konzepts aus:
a) präskriptive Texte: Anleitungen für rituelle Performanzen
b) performative Texte: Rezitationstexte (Sprüche und liturgische Spruchsequenzen)
c) deskriptive Texte: Darstellungen ritueller Performanzen. Analoges gilt für die methodische Klassifizierung von Bildüberlieferungen.  

Auf der Basis dieser begrifflichen und methodischen Grundlegung widmet sich unser Projekt den semantischen und pragmatischen Dimensionen der Ägyptischen Text- und Bildüberlieferungen in weit ausgreifender zeitlicher Perspektive. Diese Überlieferungen stammen zu einem großen Teil aus den Quellenbeständen der Pyramiden- und Sargtexte, die mit den jeweiligen "Kulthorizonten" (Ritualpraktiken, Akteure, rituelle Objekte, Opfersubstanzen etc.) und den korrespondierenden "Sinnhorizonten" (Himmelsaufstieg, Wiedergeburt, Herrschaft, Göttlichkeit etc.) zu vermitteln sind. Die Untersuchungsmethode ist vorgegeben durch die Eigenheiten des Befundes. Dazu zählt das Wesen der performativen bzw. Rezitationstexte. Zum einen weisen diese Texte einen interpretativen Bezug zu Handlungen auf, die während, vor oder nach der Rezitation ausgeübt werden. Diesen Bezug bezeichnen wir als "sakramentale Ausdeutung". Die Semantik, die in der sakramentalen Ausdeutung greifbar wird, lässt sich unterschiedlichen "Sinnhorizonten" zuordnen, das sind thematisch-motivische Einheiten wie "Herrschaft" oder "Wiedergeburt". Wir werden über die sakramentale Ausdeutung auf die von F. Staal aufgeworfenen Probleme des "bloßen Handelns" als Charakteristikum des Rituals zu sprechen kommen.  

Zum anderen können viele dieser Rezitationstexte von manuellen Handlungen losgelöst sein und ihren Sinn ausschließlich in dem Sprechakt als solchem entfalten. In diesen Fällen können wir davon ausgehen, dass die Rezitation selbst die Funktion einer Handlung innehat. Dieser Befund führt uns zur "performativen Theorie des Rituals", wie sie von S. J. Tambiah formuliert wird, die u. a. das Verhältnis von Sprechakt und (dramatischer) Performanz reflektiert, und zu den Differenzierungen von R. A. Rappaport zum Verhältnis zwischen Ritual und performativer Sprache.  

Im Mittelpunkt der auf jeweils zwei 3jährige Forschungsphasen verteilten Untersuchungen stehen die Thematik der Vater(Osiris)-Sohn(Horus)-Beziehung und die Verkörperungen des Osiris-Glaubens an der Schwelle vom Toten- zum Tempelkult.


Themenschwerpunkte

B 1.1: Ägyptische Ritualsemantik - Die Vater-Sohn-Konstellation und die Formen ihrer rituellen Performanz (Hubert Roeder)  

B 1.2: Ägyptische Ritualpragmatik - Die Osiris-Riten (Andrea Kucharek)